
Aktuelles Arbeitsrecht November 2025
Bessere Bezahlung später eingestellter Mitarbeiter bei vergleichbarer Tätigkeit?
Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28.01.2025 – 5 SLa 159/24
Sachverhalt
Ein Personalleiter wurde im Oktober 2020 mit einem Bruttomonatsgehalt von 4.200 Euro eingestellt. Der Mann hatte zwei Berufsausbildungen im Hotelgewerbe absolviert und verfügte über mehrjährige Berufserfahrung in der Hotellerie und Zeitarbeitsbranche. Zunächst war er für etwa 80 Beschäftigte zuständig, ab Anfang 2022 erweiterte sich sein Verantwortungsbereich aufgrund struktureller Maßnahmen auf rund 800 Mitarbeiter.
Mehrfache Versuche, eine Gehaltserhöhung zu erhalten, blieben erfolglos. Im Dezember 2022 stellte die Arbeitgeberin Herrn M. als weiteren Personalleiter ein – für 10.000 Euro brutto monatlich, zuzüglich Provision und Dienstwagen. Herr M. war Diplom-Ökonom und hatte umfangreiche Berufserfahrung in leitenden HR-Positionen. Das Arbeitsverhältnis endete bereits nach knapp drei Monaten zum 28.02.2023.
Im Juli 2023 wurde Frau W., die Zweitplatzierte des vorherigen Auswahlverfahrens, ebenfalls als Personalleiterin eingestellt – zu den gleichen Konditionen wie Herr M. Auch sie verfügte über akademische Abschlüsse im Bereich HR und einschlägige Berufserfahrung.
Am 10.10.2023 erhob der Kläger Klage und verlangte rückwirkend ab Oktober 2020 eine monatliche Vergütung von 10.000 Euro brutto. Er berief sich auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und sah eine Entgeltbenachteiligung nach dem Entgelttransparenzgesetz sowie eine geschlechtsbezogene Diskriminierung.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat somit keinen Anspruch auf eine Angleichung seines Gehalts an die 10.000 Euro der später eingestellten Kollegen.
Entscheidungsgründe
Zum arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz:
Das Gericht führte aus, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt, dass Arbeitgeber vergleichbare Arbeitnehmer gleich behandeln – insbesondere, wenn sie Leistungen nach einem erkennbaren, generalisierenden Prinzip gewähren.
Dies war hier jedoch nicht der Fall. Die Arbeitgeberin hatte das höhere Gehalt gegenüber Herrn M. und Frau W. jeweils individuell vereinbart. Es lag keine betriebliche Einheitsregelung vor. Eine Einzelentscheidung im Rahmen der Vertragsfreiheit stellt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar.
Sachliche Gründe für die Gehaltsdifferenz:
Zudem gab es sachliche Gründe für die unterschiedliche Bezahlung: Herr M. hatte ein abgeschlossenes Studium zum Diplom-Ökonom und umfangreiche Berufserfahrung in großen Unternehmen aufzuweisen. Auch Frau W. verfügte über höhere akademische Abschlüsse (unter anderem Master in HR-Management) und mehr Erfahrung als der Kläger. Damit war die Differenzierung bei der Vergütung sachlich gerechtfertigt. Das Gericht stellte fest, dass es auf eine Vergleichbarkeit des Klägers mit den besser bezahlten Kollegen daher gar nicht ankomme.
Zur Geschlechtsdiskriminierung:
Eine Benachteiligung nach dem Entgelttransparenzgesetz lag ebenfalls nicht vor. Herr M. hatte als Mann das höhere Gehalt erhalten – ebenso wie später Frau W. als Frau. Die Arbeitgeberin hatte beiden dasselbe Gehalt bezahlt, unabhängig vom Geschlecht. Damit fehlte ein Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger als Mann benachteiligt worden sei. Die bessere Bezahlung beruhte ausschließlich auf Qualifikation und Erfahrung.
Fazit
Dieses Urteil macht deutlich: Gleiche Tätigkeit bedeutet nicht automatisch gleiches Gehalt. Arbeitgeber dürfen neu eingestellte Mitarbeiter deutlich besser bezahlen als langjährige Beschäftigte, wenn dies auf sachlichen Kriterien beruht.
Wichtige Erkenntnisse für Arbeitnehmer:
- Höhere Qualifikationen (Studienabschlüsse vs. Berufsausbildung) rechtfertigen Gehaltsdifferenzen
- Umfangreichere Berufserfahrung in vergleichbaren Positionen ist ein zulässiger Unterscheidungsgrund
- Individuelle Vertragsverhandlungen fallen nicht unter den Gleichbehandlungsgrundsatz
- Ein Anspruch auf Gehaltsangleichung besteht nur bei willkürlicher oder systematischer Schlechterstellung
Wichtige Erkenntnisse für Arbeitgeber:
Arbeitgeber sind gut beraten, etwaige Gründe für eine Differenzierung in der Vergütung bei gleicher Tätigkeit intensiv zu prüfen, um teure Streitigkeiten zu vermeiden. Pauschale Argumente wie „der Arbeitnehmer habe eben besser verhandelt“ reichen nicht aus. Die Gründe müssen objektiv nachvollziehbar und dokumentierbar sein.
Ausblick
Die Revision ist beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 5 AZN 209/25 anhängig. Es bleibt abzuwarten, ob das höchste deutsche Arbeitsgericht diese Rechtsprechung bestätigt.
(HHo 10.2025)
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