Aktuelles Arbeitsrecht Juli 2024
Kündigung auf Druck von Kollegen – rechtswirksam?
Eine seit 1998 als Chemielaborantin beschäftigte Arbeitnehmerin kehrte 2005 aus dem Erziehungsurlaub zurück. Es kam zu Unstimmigkeiten mit Kollegen, was zu mehreren Versetzungen innerhalb des Labors führte. 2019 war die Chemielaborantin längere Zeit krank und konnte gemäß einem ärztlichen Gutachten nur unter bestimmten Bedingungen wieder arbeiten. Als ihre Kollegen von ihrer möglichen Rückkehr erfuhren, äußerten sie gegenüber dem Geschäftsführer des Arbeitgebers Bedenken über das gestörte Vertrauensverhältnis.
Der Arbeitgeber führte Gespräche mit den betroffenen Mitarbeitern und versuchte, durch Befragungen herauszufinden, ob eine Zusammenarbeit mit der Chemielaborantin möglich sei. Viele Mitarbeiter gaben an, dass sie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ausschließen und bei einer Rückkehr der Chemielaborantin möglicherweise selbst kündigen würden. Daraufhin bot der Arbeitgeber der Chemielaborantin eine Versetzung an einen anderen Standort an, was eine erhebliche Verlängerung der Fahrtzeit zur Folge gehabt hätte. Die Chemielaborantin lehnte das Angebot ab. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das bestehende Arbeitsverhältnis und bot der Chemielaborantin erneut eine Beschäftigung am anderen Standort an. Die Chemielaborantin nahm dieses Angebot unter Vorbehalt an und erhob Kündigungsschutzklage. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg entschied mit Urteil vom 12.12.2023 – 7 Sa 61/23 -, dass die Änderungskündigung sozial nicht gerechtfertigt sei. Eine Druckkündigung sei nur dann zulässig, wenn der Arbeitgeber zuvor alles Zumutbare unternommen habe, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Dies schließe aktive Maßnahmen wie die Nutzung des Weisungsrechts ein, nicht nur Gespräche und Befragungen. In diesem Fall habe der Arbeitgeber keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen, um den Druck von der Chemielaborantin zu nehmen. Daher sei die Änderungskündigung unwirksam. Das Urteil verdeutlicht, dass die Anforderungen an eine Druckkündigung sehr hoch sind. Arbeitgeber müssen aktiv Maßnahmen ergreifen, um die Situation zu entschärfen und dürfen sich nicht nur auf Gespräche und Befragungen beschränken. (HHo/07.2024)
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