Dr. Holly

Aktuelles Arbeitsrecht Mai 2025

Mankohaftung – Fehlbestand in der Barkasse

Das Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln befasste sich in seinem Urteil vom 21.11.2024 – Az. 6 SLa 199/24 – mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer für Fehlbestände in einer Barkasse haften müsse.

 

Sachverhalt:

Ein Arbeitnehmer war bei einem Einzelhandelsunternehmen als Kassierer mit Verantwortung für die Barkasse beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte unter anderem die Verwaltung der Bargeldeinnahmen, das Führen der Kasse sowie die regelmäßige Abrechnung und Übergabe des Bargelds. Im Arbeitsalltag arbeitete der Kassierer jedoch nicht allein an der Kasse. Auch andere Arbeitnehmer hatten Zugriff auf die Kassenlade, insbesondere bei Stoßzeiten oder in Vertretungssituationen. Bei einer internen Kassenprüfung, die routinemäßig durchgeführt wurde, stellte der Arbeitgeber einen Fehlbetrag von 624,13 Euro in der Barkasse fest. Es war unklar, wann genau dieser Betrag abhandengekommen war, und ob er durch Fehler in der Abrechnung, Nachlässigkeit oder sogar durch Wegnahme entstanden war. Der Arbeitgeber forderte den Arbeitnehmer auf, den Fehlbetrag auszugleichen, da er für die Kasse verantwortlich gewesen sei. Dabei berief sich der Arbeitgeber auf eine sogenannte Mankohaftung – also die Haftung eines Mitarbeiters für Fehlbeträge, wenn ihm eine besondere Vertrauensstellung in Bezug auf Geld anvertraut wurde. Der Arbeitnehmer verweigerte die Zahlung und berief sich u. a. darauf, dass er die Kasse nicht alleinverantwortlich geführt habe, auch andere Arbeitnehmer jederzeit Zugriff auf die Kasse gehabt hätten und es im Übrigen keine ausdrückliche Vereinbarung über eine besondere „Mankohaftung“ gegeben habe.

 

Entscheidung und Begründung:

Das LAG Köln entschied zugunsten des Arbeitnehmers und wies die Klage des Arbeitgebers auf Ersatz des Kassenfehlbetrags ab. Die Richter stellten dabei darauf ab, dass nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, dass der Arbeitnehmer den Fehlbetrag verursacht hatte. Der bloße Umstand, dass jemand Kassierer ist, genüge nicht als Beweis für ein Verschulden, wenn auch andere Personen Zugriff auf die Kasse hatten. Auch komme eine besondere Mankohaftung nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer allein und ausschließlich Zugriff auf die Kasse habe, also eine alleinige Obhutsverantwortung trage, was vorliegend nicht der Fall war, weil auch andere Arbeitnehmer Zugriff auf die Barkasse hatten. Auch habe keine schriftliche Vereinbarung vorgelegen, mit der sich der Arbeitnehmer zur Haftung für Kassenfehlbeträge verpflichtet habe. Da im konkreten Fall nicht einmal eine Pflichtverletzung sicher festgestellt werde konnte, entfiel jegliche Haftung des Arbeitnehmers.

 

Fazit:

Arbeitnehmer haften nicht automatisch für Kassenfehlbeträge. Wenn mehrere Personen Zugriff auf die Kasse haben, entfällt eine verschärfte Haftung. Eine sog. „Mankohaftung“ muss klar vereinbart und rechtlich wirksam ausgestaltet sein.

Arbeitgeber wiederum müssen Sorge dafür tragen, dass klare Zugriffsregelungen und Verantwortlichkeiten definiert sind (z. B. durch Abschluss einer Mankoabrede) und Zugriffsrechte und Arbeitsabläufe so dokumentiert sind, dass im Ernstfall Ansprüche durchgesetzt werden können, da die Beweisführung bei Schadensersatzklagen gegen Arbeitnehmer hoch anspruchsvoll ist und nicht auf bloßen Vermutungen beruhen darf

(HHo 05.2025)