Dr. Holly

Aktuelles Arbeitsrecht Dezember 2024

Mindestabstand zwischen AT-Vergütung und höchster tariflicher Vergütung

Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 23.10.2024 – 5 AZR 82/24 befasst sich mit dem Abstand zwischen dem höchsten Tarifentgelt und einer außertariflichen Vergütung.

 

Sachverhalt:

Geklagte hatte ein Entwicklungsingenieur, der bei einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen beschäftigt war. Er wurde als außertariflicher Angestellter eingestuft und erhielt ein Bruttomonatsgehalt von 8.212,– Euro. Das höchste tarifliche Entgelt in seiner Branche lag bei 8.210,64 Euro. Der Ingenieur argumentierte, dass sein Gehalt nur geringfügig über dem tariflichen Höchstgehalt liege und ein tatsächlicher Abstand von mindestens 23,45 % notwendig sei, um ihn als „außertariflich“ einzustufen. Daraus leitete er eine Nachforderung ab, die sein Gehalt auf über 10.000 Euro anheben sollte.

Das Bundesarbeitsgericht wies die Klage ab und hielt die Einstufung des Ingenieurs als außertariflichen Angestellten für rechtmäßig.

 

Entscheidung:

1. Kein Mindestabstand geregelt:
Nach den Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen genügt es, dass die geldwerten Arbeitsbedingungen des außertariflichen Mitarbeiters die der höchsten tariflichen Gruppe „regelmäßig überschreiten“. Da kein bestimmter prozentualer Abstand festgelegt wurde, reicht jedes – auch geringfügige – Überschreiten aus. Der Ingenieur hatte mit 8.212 Euro dieses Kriterium erfüllt.

2. Tarifautonomie:
Das BAG betonte, dass die Tarifautonomie gemäß Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz (GG) eine Nachbesserung oder ergänzende Auslegung tariflicher Bestimmungen durch die Gerichte ausschließt. Wenn die Tarifvertragsparteien einen konkreten prozentualen Abstand wünschen, müssen sie dies klar und verbindlich im Tarifvertrag regeln.

3. Klarheit der tariflichen Regelung:
Der Tarifwortlaut sei eindeutig und verlange keine weitergehende Interpretation. Das Gericht könne keine zusätzlichen Anforderungen, wie etwa einen Mindestabstand von 23,45 %, einführen.

 

Fazit:

Das Urteil zeigt, dass außertarifliche Vergütungen rechtmäßig sein können, selbst wenn sie nur minimal über dem tariflichen Höchstgehalt liegen. Entscheidend ist, was die Tarifverträge vorschreiben. Gerichte dürfen solche Regelungen nicht „nachbessern“, um einen höheren Abstand zu erzwingen, da dies die Tarifautonomie verletzen würde. Arbeitnehmer, die eine größere Differenz fordern, müssen prüfen, dass dies explizit im Tarifvertrag festgelegt ist. (HHo 12.2024)