Dr. Holly

Aktuelles Arbeitsrecht Juni 2025

Variable Vergütung bei fehlender Zielvorgabe

Mit seinem Urteil vom 19.02.2025 – 10 AZR 57/24 – befasste sich das Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit der Frage, ob der Arbeitgeber bei fehlender oder verspäteter Zielvorgabe Schadensersatz zu leisten habe:

 

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer mit Führungsverantwortung hatte einen Arbeitsvertrag, der neben einem festen Gehalt auch eine variable Vergütung vorsah. Diese variable Vergütung sollte sich zu 70 % aus Unternehmenszielen und zu 30 % aus individuellen Zielen zusammensetzen. Laut einer Betriebsvereinbarung mussten diese Ziele bis zum 1. März des jeweiligen Jahres festgelegt werden.

Im Jahr 2019 erhielt der Arbeitnehmer die Unternehmensziele jedoch erst Mitte Oktober, und individuelle Ziele wurden ihm gar nicht mitgeteilt. Trotzdem zahlte der Arbeitgeber ihm eine variable Vergütung von etwa 15.500 Euro. Der Arbeitnehmer forderte zusätzlich rund 16.000 Euro Schadensersatz, da er aufgrund der fehlenden oder verspäteten Zielvorgaben keine Möglichkeit gehabt habe, die Ziele und damit eine höhere variable Vergütung zu erreichen.

 

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht und bestätigte seinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von rund 16.000 Euro. Das Gericht stellte fest, dass der Arbeitgeber seine Pflicht zur rechtzeitigen Zielvorgabe schuldhaft verletzt habe. Eine nachträgliche Zielvorgabe könne die Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen und sei daher unwirksam.

 

Entscheidungsgründe

Im Einzelnen führte das Gericht zur Begründung an:

  • Verletzung der Pflicht zur Zielvorgabe: Der Arbeitgeber sei verpflichtet gewesen, dem Arbeitnehmer bis zum 1. März Ziele vorzugeben. Diese Pflicht sei verletzt worden, da die Unternehmensziele erst im Oktober mitgeteilt wurden und individuelle Ziele ganz fehlten.
  • Motivations- und Anreizfunktion: Zielvorgaben sollen Mitarbeiter motivieren und anspornen. Wenn sie zu spät oder gar nicht mitgeteilt werden, können sie diese Funktion nicht erfüllen.
  • Schadensersatzanspruch: Da der Arbeitgeber seine Pflicht schuldhaft verletzt habe, habe der Arbeitnehmer Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 3, 283 Satz 1 BGB.
  • Keine Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers: Der Arbeitnehmer müsse sich kein Mitverschulden anrechnen lassen, da allein der Arbeitgeber die Verantwortung für die rechtzeitige Zielvorgabe trägt.

 

Fazit

  • Für Arbeitnehmer: Wenn variable Gehaltsbestandteile vereinbart wurden, die an Zielvorgaben geknüpft sind, und der Arbeitgeber diese Ziele nicht rechtzeitig mitteilt, kann ein Anspruch auf Schadensersatz bestehen.
  • Für Arbeitgeber: Es ist entscheidend, Zielvorgaben fristgerecht und transparent zu kommunizieren. Versäumnisse können zu erheblichen Schadensersatzforderungen führen.
  • (HHo 06.2025)