Dr. Holly

Aktuelles Arbeitsrecht Mai 2025

Verfall von Aktienoptionen nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) beschäftigte sich in seinem Urteil vom 19.03.2025 – 10 AZR 67/24 – mit der Fragestellung, ob eine arbeitsvertragliche Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam ist, die vorsieht, dass virtuelle Aktienoptionen („Virtual Shares“), die bereits unverfallbar („gevestet“) sind, bei Eigenkündigung des Arbeitnehmers ersatzlos verfallen.

 

Sachverhalt:

Ein Arbeitnehmer war von April 2018 bis August 2020 bei einem Unternehmen beschäftigt. Im Jahr 2019 bot der Arbeitgeber ihm eine Beteiligung an einem virtuellen Aktienoptionsprogramm an. Dabei handelt es sich nicht um echte Aktien, sondern um eine Art Bonus- oder Gewinnbeteiligung, die unter bestimmten Bedingungen ausgezahlt wird – ein Instrument, das vor allem in Start-ups oder wachstumsorientierten Unternehmen verwendet wird, um Mitarbeiter zu motivieren und ans Unternehmen zu binden. In dem Vertrag für diese virtuellen Optionen war geregelt, dass alle Rechte sofort verfallen, wenn der Arbeitnehmer selbst kündigt. Der Arbeitnehmer kündigte schließlich zum 31. August 2020 selbst und machte danach geltend, dass ihm der Wert dieser virtuellen Optionen trotzdem zustehe. Er hielt die sogenannte Verfallklausel für unwirksam, weil sie ihn unangemessen benachteilige.

 

Entscheidung und Begründung:

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht und erklärte die Klausel, nach der die virtuellen Optionen bei Eigenkündigung vollständig verfallen sollten, für unwirksam. Das Gericht prüfte die Klausel anhand des § 307 BGB, der sich mit unangemessenen Benachteiligungen in vorformulierten Vertragsbedingungen (sogenannte Allgemeine Geschäftsbedingungen, kurz AGB) beschäftigt. Das BAG stellte klar, dass Virtuelle Optionen vermögenswerte Vorteile sind. Auch wenn sie nicht wie echtes Gehalt ausgezahlt werden, stellen sie zusätzliche Vergütungsbestandteile dar. Eine automatische Streichung solcher Ansprüche bei Eigenkündigung sei unangemessen. Es spiele keine Rolle, ob der Arbeitnehmer kündigt oder gekündigt wird. Wenn er die Bedingungen für den Erhalt der Optionen (z. B. eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit) bereits erfüllt hat („Vesting“), dürfe ihm der Vorteil nicht einfach wieder entzogen werden. Als besonders problematisch sah das Gericht den sofortigen und vollständige Verfall an. Eine solche Klausel sei einseitig und unfair, zumal sie keinen Unterschied mache, ob der Arbeitnehmer aus nachvollziehbaren Gründen kündige (z. B. Umzug, Krankheit, neue Karrierechance usw.) oder nicht. Auch wenn ein Optionsprogramm neben dem normalen Arbeitsvertrag stehe, unterliege es der gesetzlichen Kontrolle. Arbeitgeber können sich also nicht durch „Nebenverträge“ aus der Verantwortung stehlen.

 

Fazit:

  • Klauseln in Arbeitsverträgen oder Sondervereinbarungen, die bei Eigenkündigung automatisch zum Verfall von finanziellen Ansprüchen führen, sind in der Regel unzulässig, wenn sie pauschal und ohne Differenzierung formuliert sind.
  • Virtuelle Aktienoptionen oder ähnliche Zusatzleistungen dürfen nicht einfach gestrichen werden, nur weil ein Arbeitnehmer das Unternehmen verlässt – zumindest dann nicht, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch bereits erfüllt wurden.
  • Für Arbeitnehmer bedeutet das mehr Sicherheit und Schutz vor unfairen Vertragsbedingungen. Arbeitgeber hingegen müssen ihre Vertragsklauseln mit Bedacht formulieren und dürfen nicht pauschal Ansprüche streichen.

(HHo 05.2025)